Die gesundheitliche Lage sei um ein Vielfaches besorgniserregender als im Frühjahr, so Fraktionsvorsitzender Tobias Koch. Eine Kontaktnachverfolgung sei in weiten Teilen der Bundesrepublik nicht mehr zu bewältigen, die Pandemie damit bereits außer Kontrolle geraten. Eine Überlastung des Gesundheitssystem mit fehlenden Intensivbetten und Beatmungs-kapazitäten sei damit nur eine Frage von wenigen Wochen, wenn nicht eingegriffen werde.
„Die Lage ist ernst. Deshalb muss jetzt konsequent und entschlossen gehandelt werden“, so der Fraktionschef. Wieder seien harte Maßnahmen nötig. „Wir hätten uns sicherlich alle gewünscht, dass wir einen zweiten derartigen Einschnitt vermeiden könnten. Daran haben wir in Schleswig-Holstein in den letzten Monaten hart gearbeitet.“
Es gebe aber wesentliche Unterschiede zum Frühjahr: Schulen und Kitas blieben weiter offen. Alle mit einer Schließung für die Familien verbundenen Belastungen bei der Kinderbetreuung würden damit vermieden. Außerdem würden damit Lerndefizite verhindert, wie man sie im letzten Schuljahr in der Zeit des sogenannten „Homeschooling“ erlebt habe.
Zweiter großer Unterschied: Alle Geschäfte blieben weiterhin geöffnet. Das reduziere die wirtschaftlichen Folgen erheblich.
Drittens bleibe eine Vielzahl von Aktivitäten weiterhin erlaubt, die im März zunächst einmal allesamt verboten gewesen seien: Individualsport, Gottesdienste, Büchereien, Physiotherapie und Volkshochschulen blieben jetzt zulässig bzw. geöffnet. Andere europäische Länder würden dagegen derzeit einen Lockdown ertragen müssen, der noch weit über das hinausgehe, was gestern beschlossen worden sei und was wir im Frühjahr erlebt hätten, sagte Koch und verwies auf Frankreich, wo für 46 Millionen Franzosen derzeit eine Ausgangssperre zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens gelte. Bei solch harten Maßnahmen hätte man es mit einer anderen Dimension zu tun, als heute diskutiert werde.
In Deutschland sorge der Bund stattdessen sogar für finanziellen Ausgleich: Für alle Unternehmen, Selbständige, Vereine und Einrichtungen, die temporärer geschlossen würden, gebe es einen finanziellen Ausgleich von 75% des Umsatzes (!). Für größere Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern auf 60 bis 75 Prozent.
Koch wies darauf hin, dass der erforderliche Kraftakt im Lande zur Bewältigung der Corona-Krise in Form eines Notkreditprogramms in Höhe von 4,5 Mrd. Euro nur ein historischer Schulterschluss zwischen Regierung und Opposition möglich mache.
„Es ist die Schuldenbremse in unserer Landesverfassung, die uns zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit für die Notkreditaufnahme zwingt und das ist auch gut so. Das zeigt wie sinnvoll die Schuldenbremse auch jetzt in der Krise ist“, so Koch, der auf die Problematik in Hessen verwies, wo die Opposition gegen das Sondervermögen der Landesregierung klage.
„Deshalb lässt sich gar nicht hoch genug einschätzen und würdigen, dass wir in Schleswig-Holstein einen anderen Weg gehen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir für die Menschen bei uns im Land das Beste erreichen, indem wir uns verständigt haben und damit gemeinsam Verantwortung für die Bewältigung der Krise übernehmen. Wir geben damit Sicherheit, wir lindern Notlagen und wir bekämpfen die Wirtschaftskrise, indem wir Investitionen absichern und weitere Investitionen auf den Weg bringen“, so der Abgeordnete.
Weitere Kreditaufnahmen könnten erforderlich werden, viel schlimmer wäre es allerdings, wenn die Pandemie nicht in den Griff zu bekommen wäre. Die finanziellen Folgen einer Situation, wie sie in anderen europäischen Ländern bereits heute vorherrsche, wären noch viel verheerender. Deshalb müsse das ungebremste Infektionsgeschehen schnellstmöglich gestoppt werden. Der Kurs der Bundeskanzlerin sei also richtig und zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund seien die bisherigen Rahmenbedingungen in Berlin unfassbar: Für die Teilnehmerzahl von privaten Feiern habe bisher die Obergrenze von 750 Teilnehmern in geschlossenen und von sage und schreibe 5.000 Personen (!) in offenen Räumen gegolten.
„Schleswig-Holstein gehört zu den drei Bundesländern mit dem niedrigsten Infektionsgeschehen und gleichzeitig ist unser Regelwerk eines der strengsten in der ganzen Republik. Ich würde sagen: Da haben wir in den letzten Monaten eine ganze Menge richtig gemacht. Darauf können wir stolz sein und an dieser Vorgehensweise sollten wir deshalb auch weiter festhalten.“ Wenn SH dennoch heute von einem bundesweiten Lockdown betroffen werde und darunter zu leiden habe, dann erscheine das verständlicherweise als ungerecht. Deshalb müssten auch die politischen Verantwortlichen dafür klar benannt werden.
Das große Plus der gestrigen Einigung sei die Einstimmigkeit der Entscheidung. Zum ersten Mal hätten sich alle Bundesländer in der Ministerpräsidentenkonferenz auf ein gemeinsames Handeln verständigt. Jetzt heiße es, das auch eins zu eins umzusetzen.
Am Ende komme es bei allen Regeln aber immer darauf an, dass sich die Bevölkerung selbst so verantwortungsbewusst wie möglich verhalte. Jetzt würden Vernunft und Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft gebraucht, um diese dramatische Lage zu meistern.
Tobias Koch: „Die diesbezüglichen Apelle der Bundeskanzlerin und des Ministerpräsidenten sind deshalb genau richtig. Nicht die Politik allein, sondern nur wir alle zusammen können diese Krise meistern. Dafür braucht es Akzeptanz und Vertrauen. Als Politik sollten wir dafür gemeinsam werben, denn nur so wird es uns gelingen auch die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen.“