ÖPNV | | Nr. 302/23
TOP 39: Das Deutschlandticket ist die tiefgreifendste und umfassendste Reform des ÖPNV.
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Am 16.03.2023 trat Volker Wissing im Deutschen Bundestag ans Mirkofon und sagte:
„Heute machen wir Schluss mit kompliziert und anstrengend, Schluss mit Rätselraten vor einem Ticketautomaten, Schluss mit Fragen nach Waben, Stufen, Kreisen, Schluss mit der Überlegung: Liegt mein Ziel überhaupt noch in meinem Tarif, oder brauche ich ein anderes oder ein Zusatzticket? Mit dem Deutschlandticket werden alle diese Fragen überflüssig. Deshalb sage ich: Was wir heute beschließen, hat das Zeug, die Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs neu zu schreiben.“
Ich muss gestehen, ich habe immer etwas Sorge, wenn Politiker ihr aktuelles Handeln schon vorab als historisch kennzeichnen, aber diesmal dachte auch ich:
Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne.
Ich stelle fest: Das Deutschlandticket ist die tiefgreifendste und umfassendste Reform des ÖPNV.
Durch die erheblichen Vereinfachungen ist das Deutschlandticket geeignet, einen großen Beitrag für die klimafreundliche, einfache, flexible und bezahlbare Mobilität zu leisten.
Auch bei uns in Schleswig-Holstein sind die Busse und Züge voller, und 20% mehr Fahrgäste nutzen den ÖPNV. Das ist gut und ein Erfolg.
Doch wo so viel Licht ist, gibt es auch Schatten. So hat die Mehrbelastung der Landeshaushalte bundesweit den Ausbau von ÖPNV-Angeboten ausgebremst. Erste Bundesländer haben Angebote reduziert, weil sie aufgrund der landesseitigen Mehrausgaben für das Deutschlandticket schlichtweg kein Geld mehr für Angebotsausweitungen haben.
Das Ticket hilft also insbesondere dort, wo es bereits ein breites ÖPNV-Angebot gibt. Allein durch das Deutschlandticket fährt nicht ein Zug mehr.
Vor diesem Hintergrund haben die Bundesländer, und zwar alle Bundesländer mit ihrer Stellungnahme zum Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes am 03.03.2023 sehr deutlich auf Finanzierungslücken und Probleme hingewiesen.
Wörtlich heißt es dort:
„Der Bundesrat weist allerdings nachdrücklich darauf hin, dass entgegen den Ausführungen der Bundesregierung bei den Ländern im Ergebnis keine Haushaltsentlastung, sondern eine gravierende Dauerbelastung der Länderhaushalte eintritt.“
Und weiter:
„Der Bundesrat begrüßt die im Gesetzentwurf enthaltene hälftige Nachschusspflicht des Bundes, sofern der finanzielle Beitrag des Bundes am Deutschlandticket im Jahr 2023 nicht ausreicht. Der Bundesrat erwartet, dass der Bund auch in den Jahren 2024 und 2025 einen mindestens hälftigen Nachschuss leistet, sofern die tatsächlichen Kosten des Deutschlandtickets höher sind, als vom Bund angenommen und die Kosten nicht durch Erhöhung der Ticketeinnahmen ausgeglichen werden können.“
Kein Mensch kann also behaupten, dass die Probleme unbekannt seien.
Statt einer zugesagten Kostenaufteilung will die Bundesregierung ihren Bundesanteil nun auf 1,5 Mrd Euro deckeln.
Der Verkehrsminister aus NRW – und aktueller Vorsitzende der VMK, Oliver Krischer bringt es auf den Punkt:
„Ohne das Bekenntnis zur Nachschusspflicht sehen die Länder die Fortführung des Deutschlandtickets oder zumindest dessen flächendeckende Anwendung ernsthaft gefährdet.“
Die ersten Verkehrsverbünde und der VDV warnen ebenfalls vor dem Ende der flächendeckenden Gültigkeit und dem Ende des Deutschlandtickets.
Erinnern wir uns kurz an das eingangs erwähnte Zitat von Volker Wissing: Er sprach davon die Geschichte des ÖPNV neu zu schreiben.
Wenn sich der Bund nun von seinen finanziellen Zusagen verabschiedet, wird die Geschichte sehr kurz, sehr peinlich und sehr bitter für den ÖPNV, weil sie das Ende des Deutschlandtickets bedeutet. Sie würde allerdings gut in den Sammelband „Pleiten, Pech und Pannen der Regierung Scholz“ passen.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel