Weltkriegsmunition | | Nr. 439/19
TOP 19: Retten, was noch zu retten ist
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
Wie sagt man immer so schön: „Es liegt was in der Luft“. Aber in diesem Fall liegt was auf dem Meeresgrund der Nord- und Ostsee. Und das ist nicht trival: Im und nach dem 2. Weltkrieg wurden bis zu 1,6 Mio. Tonnen konventionelle und ca. 220.000 Tonnen chemische Kampfmittel aus Wehrmachtsbeständen in Nord- und Ostsee versenkt. Dort liegen sie nun und rotten seit über 70 Jahren vor sich hin. Die Gefährdung von Mensch, Umwelt und Natur durch diese Altlasten wächst allenthalben: Die Fischer können bei ihrer Arbeit schon bei kleinsten Berührungen Explosionen auslösen, Schweinswale durch die auftretenden Druckwellen verenden, Fische und Muscheln die austretenden Chemikalien in ihren Organen anreichern.
Meine Damen und Herren,
das Problem ist nicht ganz neu, aber es ist in den letzten Jahrzehnten unterschätzt oder, schlimmer noch, vor sich hergeschoben worden. Aber wie so oft wird solch ein Problem dadurch nicht kleiner, sondern nur sehr viel größer.
Was ist bisher passiert? Schon vor etwa 10 Jahren hat sich der Schleswig-Holsteinische Landtag mit Giftgasgranaten südlich von Helgoland und Sprengungen in der Lübecker Bucht beschäftigt. Damals wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegründet, die dann auch 2012 einen ersten vielseitigen Bericht mit dem Titel „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Entwicklungen und Fortschritt“ veröffentlicht hat. Es folgten weitere „Fortschrittsberichte“, die aber nicht wesentlich zur Lösung der Probleme beigetragen haben, sondern eher im Beschreiben der Gefahrensituation und dem Hinweis auf ein offensichtlich bestehendes Zuständigkeitsgerangel zwischen Bund und Ländern verharrt sind.
Meine Damen und Herren,
ich komme zu dem Schluss: Es reicht jetzt!
Wie lange wollen wir noch warten, um von der Problembeschreibung zur Lösung der Probleme zu kommen? Die Zeit läuft uns davon!
Insofern war es genau richtig, dass die Küstenländer dieses Thema bei der Umweltministerkonferenz im November auf die Tagesordnung gesetzt haben. Die Räumung von Munitionsaltlasten ist eine nationale Aufgabe – eigentlich noch darüber hinaus.
Bund und Länder haben sich klar zu ihrer Verantwortung bekannt, ihren Anteil dabei zu leisten.
Was ist nun zu tun?
Zunächst muss gerade die Bundesregierung, namentlich das Umweltministerium mit Frau Schulze an der Spitze, dauerhaft dafür Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Da fehlen zurzeit noch konkrete Zusagen. Da ist eine „Prüfung von Finanzierungsoptionen für mögliche Maßnahmen“ eindeutig zu wenig. Deswegen zielt der Antrag der Jamaika-Fraktionen darauf ab, den Bund nicht nur zur Bergung der Munitionsreste in deutschen Gewässern zu bewegen, sondern auch deren Finanzierung und auch die Finanzierung der Überwachungs- und Kartierungsarbeiten dauerhaft zu sichern. Das ist zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Bergung der zunehmend vor sich hin rostenden Munitionsreste.
Meine Damen und Herren,
wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass austretende Giftstoffe aus diesen Munitionsresten besonders von Organismen wie Fischen und Pflanzen aufgenommen werden können. Untersuchungen in der Kieler Bucht haben bereits in einigen Plattfischarten Abbauprodukte des Sprengstoffs TNT nachgewiesen. Diese Tendenz wird sich künftig wohl noch verstärken. Außerdem müssen wir unseren Fischern, die zurzeit ohnehin in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind (Stichworte: stark reduzierte Fangquoten in der Ostsee und Niedrigpreise für Krabben in der Nordsee), vor der Gefahr von Explosionen besser schützen. Kontrollierte Sprengungen sind besonders in hochsensiblen Schutzgebieten nicht die erste Wahl – das zeigen jüngste Auswertungen auf die geschützten Schweinswale, die offenbar durch solche Sprengungen verendet sind. Es müssen auch neue innovative Projekte befördert und gefördert werden, die das Aufsuchen und Entschärfen solcher Munition umweltschonend ermöglichen, zum Beispiel durch moderne Robotertechnologien.
Meine Damen und Herren,
Sie sehen, es gibt eine Menge zu tun, diesem schwerwiegenden Problem auf dem Grund der Meere beizukommen. Neben der Bundesregierung sollten auch die Anrainerstaaten in Nord- und Ostsee auf diesem Weg mitgenommen werden.
Zehn Jahre Berichte sind genug! Jetzt muss es darum gehen, zu retten, was noch zu retten ist.
Also: Anpacken statt rumschnacken!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel