Schiffbauindustrie | | Nr. 32/20
TOP 26 B: Marine-Überwasserschiffbau muss endlich Schlüsseltechnologie werden
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
wenn der größte Marineauftrag in der Geschichte der Bundesrepublik ins Ausland vergeben wird, dann ist das schon mehr als ärgerlich. Wenn man dann noch an die 5.000 Arbeitsplätze denkt, die am Schiffbaustandort Kiel von genau solchen Aufträgen abhängig sind, dann kann man sogar richtig wütend werden. Bevor ich jetzt aber Gefahr laufe, mich allein von diesen Emotionen leiten zu lassen, will ich versuchen, mich dem Thema bewusst nüchtern und sachlich zu nähern.
Die Idee einer europaweiten Ausschreibung war theoretisch zunächst einmal durchaus plausibel, angesichts von Pleiten, Pech und Pannen bei den deutschen Rüstungsaufträgen der letzten Jahre. Gerade der vorangegangene Fregattenauftrag war dabei kein Ruhmesblatt für die deutsche Industrie: 2 Jahre Bauzeit und 6 Jahre Fehlerbeseitigung, bevor die Fregatte Baden-Württemberg letztes Jahr endlich in Dienst gestellt werden konnte. Die bestellten drei weiteren Schiffe des gleichen Typs befinden sich nach wie vor in der Erprobung.
Da kann man schon einmal auf die Idee kommen, zu schauen, ob es in Europa nicht jemanden gibt, der das besser hinbekommt.
In der Theorie lässt sich von einer Ausschreibung auch ein günstigerer Preis erwarten, je größer die Anzahl der Anbieter ist, die im Wettbewerb zueinander stehen.
Und dann gab es noch das Argument der Europäischen Rüstungszusammenarbeit. Immer wieder gerne angeführt, gerade in Politikerreden zum 2% Ziel für den Verteidigungshaushalt. Man bräuchte gar nicht mehr Geld, sondern müsste das vorhandene nur effizienter einsetzen. Dazu müsste das teure Nebeneinander unterschiedlichster Waffensysteme innerhalb Europas beendet werden. Die Konsequenz solcher Forderungen sind dann eben europaweite Ausschreibungen, mit der Gefahr, auch einmal einen Auftrag ins Ausland zu verlieren.
Meine Damen und Herren, soweit die Theorie. Tatsächlich stellen wir nun fest: Zwischen Theorie und Praxis besteht eben doch ein gewaltiger Unterschied.
Als Ergebnis der europaweiten Ausschreibung werden nun genau die deutschen Unternehmen wieder beteiligt, die beim vorangegangenen Fregattenauftrag nicht überzeugen konnten, während German Naval Yards trotz positiver Leistungsbilanz unberücksichtigt bleibt. So war das sicherlich nicht gedacht.
Auch beim Preis haben sich die Erwartungen nicht erfüllt. TKMS fliegt in der ersten Runde aufgrund eines vorgegebenen Baupreises von 3,5 Mrd. Euro raus und muss jetzt mit ansehen, dass der Auftrag für mehr als 5 Mrd. Euro nach Holland geht. Wie bitter ist das denn?
Vollkommen verfehlt wird schließlich das Ziel der Rüstungszusammenarbeit. Einzig und allein Deutschland schreibt Aufträge europaweit aus. Die Niederlande dagegen wollen neue U-Boote beim nationalen Anbieter Damen Shipyard bestellen, obwohl diese noch nie zuvor ein U-Boot gebaut haben.
Deshalb, meine Damen und Herren, kommt es jetzt auf drei Punkte an:
Erstens müssen wir dafür sorgen, dass der Marine-Überwasserschiffbau endlich zur Schlüsseltechnologie erklärt wird, so wie es im Berliner Koalitionsvertrag auch vorgesehen ist.
Und liebe Eka von Kalben, das ist auch überhaupt nicht anti-europäisch, denn wir verhalten uns damit genau so wie alle anderen europäischen Länder auch.
Das bedeutet im Übrigen nicht, dass dann alle Aufträge zwingend und automatisch ausschließlich an deutsche Hersteller gehen. Was wir damit erreichen ist aber die Freiheit selber entscheiden zu können, ob wir national ausschreiben, im Rahmen einer Kooperation mit anderen europäischen Partnern ein Projekt gemeinsam realisieren oder eben europaweit ausschreiben.
Wir sorgen damit nur für Chancengleichheit bei der Auftragsvergabe. Das ist das Mindeste, was wir den deutschen Unternehmen schuldig sind!
Zweitens müssen wir genau auf die Bedingungen der möglichen Auftragserteilung achten. Das Auftragsvolumen von 70-80%, das angeblich in Deutschland verbleiben soll, muss dann auch belastbar abgesichert sein.
Drittens wünsche ich mir, dass die Bundesregierung mit weiteren Marineaufträgen für eine Kompensation sorgt.
Die größte Gefahr besteht nicht in dem Verlust dieses einen Auftrages, sondern in den Auswirkungen auf alle zukünftigen Ausschreibungen, weil Technologiekompetenz und Referenzprojekte in Deutschland zukünftig fehlen.
Umso wichtiger ist es dann, die vorhandenen Stärken weiter auszubauen. Damit meine ich explizit den U-Boot-Bau.
Mit zusätzlichen deutschen Aufträgen könnte hier ein klares Zeichen gesetzt werden, um weitere europäische Aufträge zu gewinnen. Das hat mit Norwegen geklappt und das muss doch auch mit den Niederlanden möglich sein, wenn der deutsche Marineauftrag jetzt tatsächlich dorthin geht.
Meine Damen und Herren, zu guter Letzt gilt mein Dank der SPD für diesen Dringlichkeitsantrag. Das war doch endlich mal ein konstruktiver Oppositionsbeitrag, mit dem sie ganz neben bei auch noch Jamaika in dieser Frage zu einer gemeinsamen Linie verholfen haben. Ein einstimmiger Landtagsbeschluss ist die beste Antwort, die wir auf diese Entscheidung der Bundesregierung geben können. Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel