Berufsschulen | | Nr. 325/21
TOP 28: Respekt vor der Vielschichtigkeit des Systems der beruflichen Bildung
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen,
ich freue mich: heute ist Premiere: die Berufliche Bildung steht gefühlt zum ersten Mal im gesetzten Teil der Tagesordnung.
Sie verdient damit endlich ihre besondere Beachtung.
Das haben wir dem Antrag der SPD zu verdanken – könnte man vorschnell glauben!
Ursache ist jedoch eine andere:
Eine konzertierte Aktion aus Schulleitungen, dem zuständigen Ministerium und die sehr intensive Begleitung von betroffenen Lehrkräften aus dem System der Berufsschulen.
Am Ende dieses sehr engagierten Prozesses steht ein Gutachten, das Prognos Gutachten.
In ihm wird gefühlt erstmalig die Situation an den berufsbildenden Schulen taghell ausleuchtet:
- Wertigkeit der beruflichen Bildung für die Gesellschaft,
- Bedeutung der Ausbildung für die Wirtschaft auch in der Fläche werden dort deutlich ins Wort gehoben.
Wer´s genau gelesen hat, wird hoffentlich Respekt vor der Vielschichtigkeit des Systems der beruflichen Bildung bekommen haben, Respekt vor den dort eingesetzten Kolleginnen und Kollegen, die in sechs verschiedenen Schularten mit all ihren unterschiedlichen Schülern, Fachcurricula und Prüfungsordnungen täglich ihren Bildungsauftrag erfüllen wollen, das unterscheidet sie wesentlich von den Lehrkräften der allgemeinbildenden Schulen, deren Arbeit selbstverständlich genauso herausfordernd ist.
Der tägliche Spagat zwischen Gymnasiasten, Fachoberschülern, Berufsoberschülern, den Auszubildenden, den Berufsfachschülern, den AVSH Schülern und den DAZ Klassen, dazu der Ausgleich zwischen fachlichen Inhalten und pädagogischer Betreuungsnotwendigkeit, die im Übrigen immer weiterwächst, das ist die Realität im Schulalltag!!
Hören wir mal auf die Kollegien im Lande und deren Belastung. Ein Tag in der Schule und jeder Bildungstheoretiker würde erstmal ein Schweigegelübde ablegen.
Deshalb, liebe Kollegen, sind die 60 erhaltenen Stellen sehr sehr wichtig und könnten immer gerne noch mehr sein!
Natürlich auch wichtig für die duale Ausbildung, aber vor allem: sie stützen das berufsbildende System insgesamt und kommen damit der gesamten Schülerklientel auf dem Weg zu ihren beruflichen Schulabschlüssen zugute.
In der Zielsetzung, liebe Kollegen und Kolleginnen von der SPD mögen sich die hierzu eingebrachten Anträge ähneln, aber schauen sie mal genauer hin, was in dem schon erwähnten Gutachten unter der Überschrift – ich zitiere –
„Ortsnahe Beschulung als Voraussetzung für den Zugang zu beruflicher Bildung“ steht:
- Regionale Ausbildungsmöglichkeiten als Faktor bei Standortentscheidungen von Unternehmen
- Schulen vor Ort erleichtern Betrieben Zugang zu potentiellen Auszubildenden
- direkter Kontakt zwischen Betrieben und Schulen erleichtert fachlichen Austausch wie Betreuung
Hier werden die neuralgischen Punkte im System klar und differenziert benannt!
Ihrem Antrag fehlt es leider an der gebotenen Differenzierung. Der von Ihnen verwendete Begriff einer „Grundversorgung der beruflichen Schulen“ wird dem sicher nicht gerecht. Mehr noch: Schlechter Stil ist, wenn ich ein Gutachten öffentlich auswerte bevor der Auftraggeber die Möglichkeit dazu hatte. Hier sehen wir allerdings nun, dass der Auftraggeber sofort auf essentiell benannte Problemlagen reagiert hat. Das an sich ist schon immer angemessen, aber in der Vergangenheit (meiner Zeit an der Schule) selten passiert.
Da wir im Ansinnen nicht weit voneinander entfernt sind, stimmen sie doch unserem Antrag, und in der Folge auch dem Haushalt in dem die Stellen enthalten sind, zu.
Für ihre gute Absicht tröste ich sie abschließend mit einem Zitat von Rousseau:
Der Wurf mag zuweilen nicht treffen, aber die Absicht verfehlt niemals ihr Ziel.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel