Klimaschutzgesetz | | Nr. 206/21
TOP 9 u.a.: Nicht Verbote sind die Lösung, sondern Innovationen und technischer Fortschritt
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Schleswig-Holstein verfehlt seine Klimaschutzziele. Selbst mit Schützenhilfe der Corona-Pandemie ist es vermutlich nicht gelungen, die angestrebte Reduzierung des CO²-Ausstoßes um 40% bis Ende letzten Jahres zu erreichen. Der vorliegende Energiewende- und Klimaschutzbericht prognostiziert für das vergangene Jahr gerade mal eine Reduzierung um 31%. Ich will ganz deutlich sagen: Das ist ein inakzeptables Ergebnis für die Klimapolitik unseres Bundeslandes in den letzten Jahren.
Ganz anders die Situation bundesweit: Die Klimaschutzziele werden nicht nur eingehalten, sondern sogar mit einer Reduzierung um 42,3% bis Ende letzten Jahre übertroffen. Jetzt rächt sich, dass die Vorgängerregierung bei uns im Land fünf Jahre gebraucht hat, um ein Energiewende- und Klimaschutzgesetz zu beschließen, welches dann nur Ziele beschrieben hat, anstatt konkrete Maßnahmen zu deren Umsetzung einzuleiten.
Ganz anders unter Jamaika: Bereits mit dem Bericht des vergangenen Jahres hat die Landesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen vorgeschlagen, um die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den Klimaschutzzielen zu schließen. Heute – und damit nur ein halbes Jahr nach der Debatte zum letztjährigen Bericht – liegen diese Maßnahmen nun als Gesetzentwurf vor und unser erklärtes Ziel ist es, dass dieses Gesetz auch noch im Jahr 2021 in Kraft tritt. Auf die Maßnahmen selbst brauche ich, glaube ich, an dieser Stelle nicht noch einmal eingehen. Das haben wir bereits letzten November hier im Plenum ausführlich diskutiert.
Meine Damen und Herren, ich will aber fairerweise an dieser Stelle sagen, dass das schlechte Abschneiden Schleswig-Holsteins nicht zuletzt einem statistischen Effekt geschuldet ist: Der CO²-Ausstoß des Kohlekraftwerkes Wedel wird der schleswig-holsteinischen Klimabilanz zugerechnet, obwohl Strom und Wärme für Hamburg bestimmt sind. Umgekehrt verbessert der in Schleswig-Holstein produzierte Windstrom - soweit er exportiert wird – nicht unsere Klimabilanz, sondern die der anderen Bundesländer, weil dort entsprechend weniger Kohlekraftwerke betrieben werden müssen.
Deshalb haben wir als CDU-Fraktion immer wieder die schnellstmögliche Abschaltung des Kraftwerkes Wedel gefordert. Hamburg darf seine Klimaziele nicht länger auf Schleswig-Holsteins Kosten erreichen! Aber auch wenn man unter Einrechnung des exportierten Windstroms zu dem Ergebnis kommen kann, dass Schleswig-Holstein seine Klimaziele im Grunde doch erreicht hat, so ist das kein Anlass sich darauf auszuruhen.
Sowohl auf europäischer Ebene als auch in der Bundespolitik sind die Klimaschutzziele für die Jahre ab 2030 zwischenzeitlich weiter erhöht worden. Und das hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf Schleswig-Holstein!
Der vorliegende Energiewende- und Klimaschutzbericht schlägt deshalb für das Jahr 2030 erhöhte Ziele für die Erzeugung von erneuerbarem Strom an Land und für die Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien vor. Der Blick richtet sich also in die Zukunft. Mit den Maßnahmen des Gesetzentwurfes wollen wir die in der Vergangenheit aufgetretene Lücke schließen. Mit welchen Maßnahmen erreichen wir aber die Klimaschutzziele des Jahres 2030 – das ist die Frage, die sich in der heutigen Debatte stellt.
Mehr erneuerbarer Strom an Land: Das wird vor allem durch immer leistungsstärkere neue Windkraftanlagen gelingen – also durch Repowering.
Der Ausweisung zusätzlicher Vorranggebiete für noch mehr Windkraftanlagen will ich dagegen an dieser Stelle gleich eine klare Absage erteilte. Ich bin sehr froh, dass die neue Landesplanung Wind in den letzten Jahren in Kraft getreten ist und einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen beim Ausbau der Windenergie erbeigeführt hat.
Die Erfahrung mit der jüngsten Windkraftplanung zeigt aber auch, wie aufwendig ein solches Verfahren ist, sodass zusätzliche Flächen kaum vor dem Jahr 2030 zur Verfügung stehen würden. Aufgrund der beschriebenen Systematik der Klimabilanz würde sich daraus außerdem kein zusätzlicher, positiver Effekt für Schleswig-Holstein ergeben.
Was braucht es also dann an weiteren Maßnahmen?
Erstens bedarf es nicht nur für Verkehrsinfrastrukturprojekte, sondern gerade auch für den Ausbau der Energieleitungsnetzte ein beschleunigtes Planungsrecht in Deutschland. Der in Schleswig-Holstein erzeugte Windstrom darf nicht länger abgeregelt werden, weil die Stromleitungen nicht ausreichen. Mit diesem Irrsinn muss endlich Schluss sein, damit die volle Klimawirkung zum Tragen kommt und die Stromkunden nicht länger mit Kosten für nicht produzierten Strom belastet werden.
Zweitens brauchen wir eine Befreiung der erneuerbaren Energien von der EEG-Umlage, wenn sie für die Produktion von Wasserstoff oder von synthetischen Kraftstoffen eingesetzt werden. Die EEG-Umlage war eine optimale Startsubvention für erneuerbare Energien. Mittlerweile ist sie aber das größte Hindernis für die dringend erforderliche Sektorenkopplung – also den Einsatz von erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung oder im Verkehrssektor. Würde die in Schleswig-Holstein produzierte Strommenge aus erneuerbaren Energien mit Hilfe der Sektorenkopplung komplett bei uns im Land verbraucht werden, dann würden wir bereits heute unsere Klimaziele übertreffen – und genau da müssen wir hinkommen.
Drittens darf der Bau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen nicht länger auf den Flächenverbrauch angerechnet werden. Photovoltaik boomt in Schleswig-Holstein, da geht es um mehrere 1000 Hektar in den nächsten Jahren. Das ist für das Landschaftsbild und die Nutzungskonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion nicht unproblematisch, weshalb wir Photovoltaik-Freiflächenanlagen durchaus mit der gebotenen Skepsis gegenüberstehen. Erstrecht, wenn sie in der freien Landschaft und nicht entlang von Autobahnen oder Bahnlinien errichtet werden.
Dennoch leistet Photovoltaik unbestreitbar einen wichtigen Beitrag zur Erzeugung von erneuerbarem Strom. Deshalb dürfen PV-Anlagen nicht dem jährlich zulässigen Flächenverbrauch zugerechnet werden. Wir müssen vermeiden, dass es zu einer Konkurrenz zu den ebenfalls dringend benötigten Flächen für Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung kommt, zumal PV-Flächen durchaus ökologisch wertvoll angelegt werden können.
Viertens brauchen wir eine verstärkte Förderung von Energiespeichern in Privathaushalten. Und das verbunden mit einer beschleunigten Umstellung des Stromnetzes auf ein smart grid, also ein intelligentes Stromnetz inklusive des Einbaus von Smart Metern anstelle der bisherigen Stromzähler.
Nur so wird es gelingen, die von Wind und Sonne abhängige Stromerzeugung in dezentralen Anlagen mit dem Verbrauch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Einklang zu bringen, indem sich z.B. die Wachmaschine zukünftig von alleine in der Nacht einschaltet oder indem der Energiespeicher im Keller nicht nur aus der PV-Anlage auf dem Dach gespeist wird, sondern auch als Speicher für überschüssigen Strom im Netz genutzt werden kann.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Es gibt viele Möglichkeiten, um auch die erhöhten Klimaschutzziele zu erreichen. Was wir dafür nicht brauchen, sind symbolische Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen oder ein Verbot von Kurzstreckenflügen. Beides hat schon jetzt kaum einen nennenswerten Effekt für den Klimaschutz und macht bei Elektro- und Wasserstoffautos sowie bei Flugzeugen, die mit grünem Kerosin fliegen, auch überhaupt keinen Sinn. Flüge teurer und Autofahren unangenehmer machen, ohne vorher die notwendige Alternative geschaffen zu haben, bedeutet ausschließlich einen Verlust an Mobilität und macht das Leben von Menschen einfach nur schlechter. Das ist keine zukunftsgerichtete Politik.
Was wir auch nicht brauchen sind immer mehr Auflagen und immer höhere Preise, die die Energiewende für den Normalverdiener unbezahlbar machen. Deutschland hat schon heute die höchsten Strompreise in ganz Europa. Das reißt nicht nur ein Loch ins private Portemonnaie, sondern das gefährdet auch unsere Position als Industrieland und alle damit verbundenen Arbeitsplätze. Nicht Verbote, Auflagen und immer höhere Steuern sind deshalb die Lösung, sondern Innovation und technologischer Fortschritt verbunden mit mehr Flexibilität bei den staatlichen Rahmenbedingungen und höheren Anreizen für klimafreundliches Verhalten.
Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel