| Nr. 146/08
zu TOP 18: Umweltmedizin hat keine Lobby
Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP zum Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein ist ein umfassendes Werk von 159 Seiten, für dessen Erstellung ich im Namen der CDU danke.
Die Landesregierung hat sich Mühe gegeben, die gestellten Fragen im Sinne des Fragestellers zu beantworten.
Die Ernsthaftigkeit, mit der die Landesregierung sich für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein einsetzt, wird auch in der Beantwortung der Großen Anfrage deutlich.
So werden die Leitprojekte der Gesundheitsinitiative ausführlich beschrieben und die dafür eingesetzten Fördermittel detailliert aufgeführt, wobei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht alle Einzelheiten genannt werden konnten.
Punkt 2.6 widmet sich der elektronischen Gesundheitskarte. Dort heißt es: „Die elektronische Gesundheitskarte ist als Schlüssel für die neuen Telematikanwendungen ein entscheidendes Strukturelement. Im Rahmen der längerfristig zu sehenden Entwicklung einer bundesweiten Telematikinfrastruktur kann Schleswig-Holstein mit der aktiven Teilnahme an der Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte dem Entstehen telematischer Insellösungen in Schleswig-Holstein, die nicht mit der bundesweit sich entwickelnden Infrastruktur kompatibel wären, entgegenwirken. Die frühzeitige reale und zugleich in die bundesweite Entwicklung intensiv eingebundene Entwicklung kann Schleswig-Holstein einen technologischen Vorsprung vor anderen Bundesländern ermöglichen“.
Diese etwas umständliche Beschreibung der Stellung der Testregion Flensburg im Vergleich zu den Modellregionen anderer Bundesländer muss angesichts der jüngsten Pressemeldungen hinsichtlich der Schwierigkeiten mit dem PIN-Code hinterfragt werden. Prof. Roland Trill, Lehrstuhlinhaber für Krankenhausmanagement, wurde in der Financal Times Deutschland zitiert: „Wenn die Verantwortlichen an der PIN festhalten, ist das Projekt gestorben“.
Meine Fraktion hat Aufklärungsbedarf darüber, was die elektronische Gesundheitskarte wirklich leisten kann und ob zur Speicherung von Notfalldaten die datenschutzrechtlichen Vorgaben einer Überarbeitung bedürfen. Wir werden darauf zurückkommen.
Interessant sind auch die Aussagen zur grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung. Hier ist ausschließlich von norwegischen Patienten im Zusammenhang mit der Akkreditierung zur Patientenbrücke die Rede. Es wurden im Zeitraum von April 2001 bis April 2003 mehr als 1.200 norwegische Patientinnen und Patienten behandelt. Während die Kooperation mit Dänemark im Bericht nicht erwähnt wird.
Bei den Tabellen der niedergelassenen Ärzte hätte ich mir eine ebenso übersichtliche Aufstellung wie bei den Zahnärzten gewünscht, um auch den Versorgungsgrad der Haus- und Fachärzte ablesen zu können. Aber dies lag wohl an der Fragestellung.
Das Kapitel „Apotheken“ ist sehr aufschlussreich:
Die Tabelle zur Entwicklung der Zahl der Apotheker und die der Apotheken seit 2000 zeigt deutlich, dass bis zum Jahr 2004 die Zahl der Apotheker mit mehr als 10 über der Anzahl der Apotheken lag. Mit dem Jahr 2005 ändert sich dies, was auf Filialen zurückzuführen ist. Leider spiegeln sich die Zahlen nach dem Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes in dieser Antwort noch nicht wider.
Offensichtlich ist sich die Landesregierung der Tatsache bewusst, dass eine Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes zu einer Liberalisierung des Apothekenmarktes führen wird. In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es: „Die Zulassung von Apotheken-Ketten kann insbesondere in Ballungszentren zu einem erhöhten Verdrängungswettbewerb und dadurch zu einer Marktkonzentration führen. Inwieweit dies Auswirkungen auf die Versorgungsqualität, insbesondere in ländlichen Regionen haben kann, wird mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen sein.“ – Ich bitte darum! Weitere Benachteiligungen des ländlichen Raumes sind nicht akzeptabel!
Auch die Zulassung von apothekenfremden Branchen zum Arzneimittelvertrieb könnte laut Antwort der Landesregierung eine wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln in der Fläche langfristig gefährden. Trotz dieser Erkenntnisse spricht sich die Landesregierung nicht gegen die Deregulierung und Marktliberalisierung im Arzneimittelvertrieb aus, sondern verweist auf das Apothekenrecht, das im Falle eines Notstandes in der Arzneimittelversorgung die Gründung von Zweig- bzw. Notapotheken unter erleichterten Bedingungen vorsieht.
Es ist bemerkenswert, dass im Notfall wieder die gute alte Apotheke gefragt sein soll, während die Geschäfte anderswo gemacht werden.
Auch dieser Thematik sollten wir uns widmen.
Die Ausführungen enthalten viele Themenkomplexe, die eine genauere Betrachtung verdient haben und die in der Kürze der Zeit – die Antwort auf die Große Anfrage zum Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein liegt erst seit einer Woche vor – nicht analysiert werden konnten.
Das Thema „Umweltmedizin“ und die ärztliche Betreuung Umwelterkrankter hat der Fragesteller außer Acht gelassen. Diese Thematik kommt in der Gesundheitspolitik stets zu kurz, obgleich es in Schleswig-Holstein – insbesondere in Nordfriesland hervorragende Umweltmediziner und Behandlungsmöglichkeiten gibt. Umweltmedizin hat keine Lobby!
Ein großer Teil der Fragen ist nach meiner Auffassung Füllmaterial, das viel Arbeitsaufwand erfordert, aber von geringerem Nutzen ist.
Wie nicht anders zu erwarten, hat der Fragesteller die letzten 14 Seiten den Auswirkungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz gewidmet. Die Fragen und Antworten beinhalten nichts Neues, wir haben diese Aussagen größtenteils bei diversen Landtagsdebatten schon vernommen.
Um die wirklich gravierenden Auswirkungen des GKV-WSG darstellen zu können, muss noch etwas Zeit ins Land gehen.
Alles in allem liefert die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung für die Akteure im Gesundheitswesen einen Überblick der wesentlichen Faktoren für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein, so dass wir reichlich Diskussionsstoff in den Fachausschüssen haben werden.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel