Johannes Callsen (ehemaliger Abgeordneter)

Johannes Callsen (ehemaliger Abgeordneter)
Minderheitenbeauftragter der Ministerpräsidenten

| Nr. 144/08

zu TOP 28: Eine zügige und sorgfältige Prüfung ist selbstverständlich

Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort

Vor nicht einmal 12 Monaten haben wir hier im Landtag ausführlich und intensiv über das schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz diskutiert und neben der Verlängerung bis Ende 2010 die Aufnahme des Bus-ÖPNV in das Gesetz beschlossen. Gerade für uns als CDU-Fraktion war dies eine verantwortungsvolle Abwägung zwischen ordnungspolitischen Grundsätzen und den Interessen vieler mittelständischer Betriebe, gerade aus dem Bereich der Bauwirtschaft und der Busunternehmen. Insofern war der Beschluss, den im Ergebnis ja auch die FDP mitgetragen hat, trotz mancher Bedenken ein tragbarer Kompromiss.

Die Befristung des Tariftreuegesetzes auf Ende 2010 hing aber schon damals eng zusammen mit zahlreichen rechtlichen Bedenken, die auch bei aller Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Wirtschaft im Raume standen. So hatte, und ich habe im Juli vergangenen Jahres in meiner Rede bereits darauf hingewiesen, die EU-Kommission bekanntlich bereits Ende 2004 gegenüber der rot-grünen Bundesregierung rechtliche Bedenken gegenüber Tariftreueregelungen geäußert und auch beim Europäischen Gerichtshof war bereits ein Verfahren gegen ein deutsches Tariftreuegesetz anhängig. In vermeintlicher Sicherheit hatte uns das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gewogen, das Tariftreueregelungen für verfassungsgemäß bewertet hatte.

Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hinsichtlich des Vergabegesetzes des Landes Niedersachsen herrscht jetzt zumindest europarechtlich Klarheit: Der Europäische Gerichtshof hält es für unzulässig, die Vergabe eines öffentlichen Auftrags von der Verpflichtung abhängig zu machen, das am Ausführungsort tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen. Dies trifft im Kern auch auf die Regelungen des schleswig-holsteinischen Tariftreuegesetzes zu und deswegen ist doch völlig selbstverständlich, dass sowohl der Landesgesetzgeber, also wir, und die Landesregierung handeln müssen. Eines Antrages der FDP, lieber Herr Kollege Dr. Garg, hätte es für dieses aus meiner Sicht selbstverständliche Verfahren nicht bedurft.

Man muss vor dem Hintergrund dieses Urteils auch nicht gleich das Gespenst von Dumpinglöhnen herbei reden. Gerade im Baubereich besteht ein von den Tarifparteien vereinbarter Mindestlohn, der nach dem Entsendegesetz auch bei Auftragsvergaben in Schleswig-Holstein einzuhalten ist.

Die Landesregierung hat bereits eine intensive Prüfung eingeleitet, ob und inwieweit das Urteil des Europäischen Gerichtshofes auch das schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz berührt und wird, sollte es ganz oder teilweise nicht EU-konform sein, daraus entsprechende Konsequenzen ziehen, bzw. dem Landtag Vorschläge unterbreiten. Und es ist ebenso selbstverständlich, dass diese Prüfung zügig und sorgfältig durchgeführt wird. Was wir nämlich auf jeden Fall vermeiden müssen, ist Rechtsunsicherheit sowohl bei den Auftraggebern der öffentlichen Hand wie auch bei den Auftragnehmern. Wir alle wissen: Sollte es bei Ausschreibungen durch unterlegene Bieter zu Klageverfahren unter Berufung auf das Urteil des EuGH kommen, stehen möglicherweise Schadensersatzforderungen im Raume.

Auch andere Bundesländer haben auf das EUGH-Urteil reagiert. So hat das rot-grüne Bremen in einem Erlass vom 7. April 2008 darauf hingewiesen, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Tariftreueerklärung von den Bietern nicht mehr eingefordert werden darf. Es geht also dabei nicht um Ideologie, sondern schlicht und ergreifend um Recht und Gesetz.

Dass auch wir die Auswirkungen des EuGH-Urteils sorgfältig prüfen und nötige Konsequenzen ziehen werden, ist völlig klar. Man muss aber nicht gleich über das Ziel hinaus schießen, in dem man wie die Grünen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn als Alternative fordert, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie sich dies in der Praxis auswirken würde. Zur Erinnerung: Im Baubereich besteht tarifvertraglich vereinbart ein Mindestlohn von 12,50 € pro Stunde. Käme es zu einem bundesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, wie die Grünen ihn erneut fordern, in Höhe von zum Beispiel 7,50 €, dann frage ich die Grünen, wie sie den Gesellen auf dem Bau erklären wollen, dass ihr Stundenlohn damit möglicherweise um 5 € sinken wird. Und dass auch branchenspezifische Mindestlöhne nicht unproblematisch sind, zeigt ein Blick auf die Zeitarbeit, die sich ja ebenfalls um Aufnahme in das Entsendegesetz zur Sicherung von Mindestlöhnen beworben hat. Einmal unterstellt, dass der Mindestlohn in der Zeitarbeit unter dem tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn im Baubereich läge: Was machen wir dann eigentlich, wenn auf den Baustellen nicht mehr klassischerweise Handwerker beschäftigt werden, sondern Bau-Zeitarbeiter, für die ein niedrigerer Mindestlohn gilt. Sie sehen, auch hier ist mit sicherlich unerwünschten Verwerfungen zu rechnen und deshalb sind Mindestlöhne nach Auffassung der CDU mit höchster Vorsicht zu genießen.

Zurück zum Tariftreuegesetz: Genau wie andere Bundesländern werden wir auch in Schleswig-Holstein unsere Regelungen auf EU-Konformität prüfen und nötige Konsequenzen ziehen.

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